Sachverständiger

SACH­VER­STÄNDI­GER.



Leistungen.

Privat­gut­achten.

Fach­liche Be­ra­tung.

Be­ra­ten­der Sach­ver­ständi­ger des Ge­richts nach § 144 I ZPO.

Ge­richt­li­cher Gut­ach­ter nach §§ 402 ff. ZPO.


Themen.

Wert­pa­piere.

Deri­va­te.

Di­gi­ta­le Ver­mögens­werte (Krypto­werte, krypto­gra­fische In­stru­men­te und To­ken).



Kryptowerte:

Ein Zukunftsthema für Gutachten.

Die Sach­ver­ständigen, 03/2024, S. 38-47.

Eine Viel­zahl neuer Krypto­werte haben sich in den letzten Jahren heraus­ge­bildet. Die auf Block­chain-Techno­lo­gie ba­sieren­den Krypto­werte unter­schei­den sich wesent­lich von bis­lang ge­handel­ten klassi­schen Fi­nanz­in­stru­men­ten. Der recht­liche Rahm­en für eine brei­te Markt­adap­tion wurde mittler­weile durch die VO (EU) 2023/1114 über Märkte für Krypto­wer­te (Mar­kets in Cryp­to-Assets Re­gu­la­tion – MiCAR) ge­schaf­fen.  Während ge­gen­wärtig noch ver­gleich­bar wenig Fälle mit Kryp­to-Be­zug an deutschen Ge­richt­en an­hängig sind, so ist es doch be­reits jetzt ab­seh­bar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis eine Lawine von dies­be­züg­lichen Rechts­streitig­keiten über die Gerichte rollt.

Vor diesem Hinter­grund wäre es über­legungs­wert, inner­halb des Sach­ge­biets Ka­pi­tal­an­lagen und pri­vate Fi­nanz­planung einen Be­stellungs­tenor Krypto­werte zu eta­blier­en. Ge­gen­wärtig müssten Fra­gen hin­sicht­lich von Krypto­werten ver­mut­lich an Sach­ver­ständige des Be­stellungs­te­nors Wert­pa­piere und De­ri­va­te ver­ge­ben wer­den; aller­dings setzt Sach­ver­ständigen­wissen über Krypto­werte Kennt­nisse vor­aus, die über die typischen Wert­pa­piere und De­ri­va­te-Kennt­nisse hi­naus­gehen, zum Bei­spiel Block­chain-Techno­lo­gie, CBDC, Krypto­grafie, DeFi oder Mining.


Er­wägung­en bei ei­nem Gut­acht­en zur Be­wert­ung di­gi­ta­ler Wer­te.

Han­dels- oder Kurs­wer­te re­flek­tier­en die in­di­vi­du­el­le Eini­gung zwischen Käuf­er und Ver­käuf­er. Einem sol­chen Trans­aktions­preis kann nicht ein ob­jek­ti­ver Wahr­heits­ge­halt für alle Markt­teil­neh­mer zu­ge­schrie­ben wer­den, da z.B. auf­grund von In­for­ma­tions­asym­metrien eine Ver­trags­sei­te einen für sich günsti­ge­ren Preis hat durch­setz­en können, der Ort des Ver­trags­ab­schlus­ses den Preis ver­zerrt, der Zeit­punkt preis­re­le­vant ist oder die ge­handel­te Menge untypisch.


Selbst bei börsen­no­tier­ten Preisen, basierend auf Trans­aktion­en, an denen po­ten­ziell eine Viel­zahl von Käufern und Ver­käufern par­ti­zi­piert haben, kann keine All­ge­mein­gül­tig­keit des Preis­sig­nals an­ge­nom­men wer­den. Denn auch hier bil­det sich der Gleich­ge­wichts­preis1 zwischen An­ge­bot und Nach­frage in Ab­hängig­keit von den spe­zi­fi­schen Um­stän­den. Ins­be­sondere ist es oft von we­sent­licher Be­deut­ung, ob eine Trans­aktion durch einen Käufer oder durch einen Ver­käufer ini­ti­iert wird.2, 3 Wird z.B. die Trans­ak­tion durch einen Ver­käufer ini­ti­iert, so muss die­ser, um eine ent­sprechen­de Nach­fra­ge zu er­zeu­gen, i.d.R. den ge­forder­ten Ver­kaufs­preis senken. Um wie­viel er den Ver­kaufs­preis senken muss, hängt da­bei da­von ab, wel­che zu­sätz­li­che Nach­fra­ge durch eine Preis­senk­ung in­du­ziert wird. In der Fach­li­te­ra­tur wird dieser Zu­sammen­hang durch die sog. Elasti­zi­tät der Nach­frage dar­ge­stellt.4 Ein Preis, wel­cher das Er­geb­nis eines Ver­kaufs­vor­gangs ist, re­flek­tiert so­mit ein­en Ab­schlag oder Dis­count, wel­cher wiederum ab­hängig ist von Handelsvolumen und der Elasti­zi­tät der Nach­frage. Um­ge­kehrt wird ein von der Käufer­seite ini­ti­iertes Ge­schäft nur über einen Auf­schlag auf den sich anderen­falls bilden­den Gleich­ge­wichts­preis voll­zo­gen wer­den kön­nen, da sonst nicht ge­nug zu­sätz­liches Ver­käufer­interes­se ge­schaf­fen wird. Wie hoch dieser Auf­schlag ist, hängt auch hier zum einen ab vom Handelsvolumen, und zum anderen von der Elasti­zi­tät des An­ge­bots.5


Da Preise das Er­geb­nis si­tuations­ab­hängi­ger Ver­hand­lungs­er­geb­nis­se sind, kann man nur be­dingt Preis­in­for­ma­tion­en als re­le­vant­en Mess­wert für eine fik­ti­ve Trans­aktion her­an­ziehen. In­wie­fern dies mög­lich ist, hängt von der sog. Li­qui­di­tät des spe­zi­fi­schen Markt­es ab. Eine ob­jek­ti­ve Messung der Li­qui­di­tät gibt es zwar nicht, je­doch wird da­runt­er i.d.R. die Fähig­keit ver­standen, in einem Markt eine große Menge von Gütern oder Dienst­leistung­en zu einem un­veränder­ten Preis (d.h., ohne signi­fi­kante Preis­ab­schläge oder Auf­preise) und inner­halb kurzer Zeit (besten­falls sofort) handeln zu kön­nen.6, 7 Die meisten Güter und Dienst­leistung­en handeln hin­ge­gen auf einem zu­mindest teil­weise von Illi­qui­di­tät ge­prägten Markt, was zur Folge hat, dass ein in­kre­mentel­ler Käufer (Ver­käufer) ent­we­der einen er­höht­en (ge­senkt­en) Preis an­biet­en muss, oder die Trans­aktions­menge re­du­ziert, oder die Trans­aktion über einen länge­ren Zeit­raum ab­wickelt, oder eine Kom­bi­na­tion davon vor­nimmt.


Aus der markt­spe­zi­fi­schen Sicht­weise er­gibt sich nun, dass die Über­führung eines Marktpreises (ba­sierend auf einer spe­zi­fi­schen Trans­aktion) in einen theo­re­ti­schen Preis einer fik­ti­ven Trans­aktion nur durch eine geeignete An­pas­sung vorgenommen werden kann. Diese An­pas­sung hängt davon ab, in­wie­weit die fik­ti­ve Trans­aktion von einer typi­schen Markt­trans­aktion ab­weicht. Da diese Ab­weich­ung viel­di­mension­al sein kann, ist die Er­mitt­lung einer sol­chen An­pas­sung herausfordernd. Ins­be­sondere die Handels­richt­ung (d.h., die Frage, ob die zu be­urteilen­de Trans­aktion durch einen Käufer oder durch einen Ver­käufer aus­ge­löst wird) und das Handelsvolumen (d.h., die Frage, ob han­dels­üb­li­che Trans­aktions­mengen über- oder unter­schrit­ten werden) sind hier von be­sonder­er Be­deut­ung. Da im Markt weder die An­ge­bots- noch die Nach­frage­elasti­zi­tät direkt be­obacht­bar ist, kann man besten­falls über histo­ri­sche Preis­be­we­gungen ab­zu­schätzen ver­suchen, wie hoch ein poten­ziel­ler Auf- oder Ab­schlag von einem Markt­preis an­ge­mes­sen wäre, um das Preis-Ergeb­nis einer fik­ti­ven Trans­aktion zu si­mu­lier­en.


Ein Spezial­fall ist dann ge­ge­ben, wenn in einem Markt ver­bind­li­che Li­qui­di­täts­an­bieter (auch „Markt­macher“ oder „Markt­pfleger“, engl. „Market-Maker“) agieren, wel­che sich ver­pflicht­en, zu je­dem Zeit­punkt und zu einem selbst-ver­pflichten­den Preis als Ge­gen­sei­te für Käufer und Ver­käufer zur Ver­fügung zu stehen. 8 In dem Fall ist für eine fiktive Trans­aktion ab­les­bar, zu welchem Preis die Trans­aktion hät­te ab­ge­wickelt wer­den kön­nen. Hier­zu gibt es je­doch zwei Ein­schränkung­en: Zum einen sind die An­kaufs- und Ver­kaufs­preise hin­sicht­lich des Vo­lumens be­grenzt. Damit ist also nicht ab­schätz­bar, was der durch­schnitt­li­che Trans­aktions­preis für eine über die Vo­lumens­ver­pflichtung des Li­qui­di­täts­an­bieters hinaus­gehen­de Trans­aktion wäre, da man ja nur den Preis der ersten Teil-Trans­aktion kennt und vor Ab­wick­lung der zweiten Tranche neue Preise seitens der Li­qui­di­täts­an­bieter ge­stellt wer­den können.9 Zum anderen muss auch da­von aus­ge­gang­en wer­den können, dass die Kauf- und Ver­kaufs­ver­pflichtung­en der Li­qui­di­täts­an­bieter hin­reichend lange auf­recht­er­halten werden. In Zeiten des elek­tro­nischen Handels werden Preis­an­ge­bote oft nur von Algo­rith­men ge­neriert, um so Handels­interes­se anderer Markt­teil­nehmer zu pro­vo­zieren, um da­raus den In­for­ma­tions­wert zu ge­win­nen, ob die nächste Trans­aktion eher von einem Käufer oder eher von einem Ver­käufer initi­iert werden wird. Dabei werden die Preis­an­ge­bote dann oft noch recht­zeitig (zum Teil inner­halb von Milli­se­kunden) zu­rück­ge­zogen werden (und ggf. sogar durch voraus­laufendem Eigen­handel – engl. „front running“ – ersetzt).10


Handels­ge­schäf­te, deren Vo­lumen jenes von handels­üb­lichen Markt­trans­aktionen über­steigt, werden als Paket­handel (engl. block­trades) be­zeich­net. Block­trades be­ein­flus­sen den Preis­bildungs­pro­zess in zweier­lei Hin­sicht: sie sind in­for­ma­tiv und sie er­zeugen auf­grund ihrer Größe Preis­effekte (engl. market impact). Preis­effekte können in vor­über­ge­hen­de und dauer­hafte Effekte unter­teilt werden. Die per­ma­nente Kom­po­nente ist der Be­trag, um den Markt­teil­nehmer ba­sierend auf dem Block­handel ihre lang­fristige Be­wertung re­vi­dieren, und die tempo­räre Kom­po­nente spiegelt den vor­über­ge­henden Preis­ab­schlag wider, der zur Aus­führung der Block­trans­aktion er­forder­lich ist.11


Der durch einen Block­trade-Ver­kauf ver­ur­sachten Preis­ab­schlag wird in der Li­tera­tur auf Li­qui­di­täts­kosten (engl. li­qui­di­ty cost) und Preis­druck (engl. price pressure) zu­rück­ge­führt. Die Li­qui­di­täts­kosten­theo­rien argu­men­tier­en, dass eine vor­über­ge­hen­de Preis­aus­wirkung im Zu­sammen­hang mit einem Block­handel eine Ent­schädi­gung für die von den Gegen­partei­en (sog. Li­qui­di­täts­bereit­stel­ler, engl. li­qui­di­dy pro­viders) be­reit­ge­stel­lte Li­qui­di­tät wider­spiegelt.12 Die Preis­druck­hypo­these be­sagt, dass der Ver­kauf eines großen Blocks mit einem kurz­fristi­gen An­stieg des An­ge­bots ver­bunden ist, was zu einem Preis­ab­schlag führt.13


Ein Gut­achten über die Preis­findung einer fik­ti­ven Block-Ver­kaufs­trans­aktion folgt den folgen­den von­ein­ander ge­trennten Schrit­ten:

  • Er­mitt­lung eines markt­ge­recht­en Grund­preises für die Block-Trans­aktion zu einem be­stimmten Stich­tag;
  • Er­mitt­lung eines an­ge­messenen Ab­schlags, welcher das Handels­volumen re­flek­tiert;
  • Zu­sammen­führung von Grund­preis und Ab­schlag als Basis für die Block-Trade Trans­aktion.


Krypto­währungen zeich­nen sich daraus aus, dass sie weder einen in­trin­si­schen Wert haben noch eine For­de­rung gegen­über dem Emit­ten­ten dar­stel­len. Eine Be­wert­ung im Rahmen eines Gut­achtens wird da­durch er­schwert. Nach gängi­gem Da­für­hal­ten wird der öko­no­mische Wert von Krypto­währungen allein da­durch be­stimmt, wie viel der nächste Käufer bereit ist, da­für zu zahlen.14, 15, 16 Für die Be­stim­mung des ob­jek­tiven Ver­kehrs­werts von Krypto­währungen eignet somit als An­knüpfungs­punkt der tages­aktuelle Handel- oder Kurs­wert auf ein­schlägi­gen Handels­platt­formen. Hier wird die Frage „Was ist der nächste Käufer bereit, zu zahlen“ da­durch be­ant­wortet, dass man zu er­mitteln ver­sucht, was der „letzte Käufer“ zu dem Zeit­punkt „bereit war, zu zahlen“. Eine der­artige Be­rechnung kann je­doch nur näherungs­weise und nicht exakt im Sinne einer mathe­ma­tischen Genauig­keit er­folgen, weil Handels- oder Kurs­werte (wie bereits er­wähnt) noch um einen Auf- oder Ab­schlag korri­giert wer­den müssen, um der Handels­richtung und dem spe­zi­fischen Handelsvo­lu­men einer fik­tiv zu be­preisen­den Trans­aktion ge­recht zu werden.


Während Tages­schluss­kurse von Kryptobörsen einen grund­sätzlich sinn­vollen Anknüpfungs­punkt zur Preis­be­stimmung dar­stellen, ist die Verwendung eines einzi­gen Schluss­kurses mit der Gefahr ver­bun­den, dass es sich hier­bei um eine tempo­räre Preisverzerrung (engl.: dis­lo­ca­tion) handeln könnte. Ent­schließt man sich hin­gegen, die Preis­fest­setzung auf eine Reihe von histo­rischen Schluss­kursen zu ba­sieren, er­geben sich drei Ent­scheidungs­probleme:

  • Wie weit geht man zeit­lich zu­rück? Je mehr histo­rische Schluss­kurse in die Be­rech­nung ein­fließen, umso mehr büßt der er­mittel­te Wert an Ak­tu­ali­tät ein. Anderer­seits re­du­ziert die inter­tempo­rale Glät­tung die Wirkung po­tenziel­ler Dis­lo­ka­tionen.
  • Wie ge­wichtet man histo­ri­sche Schluss­kurse? Misst man zeit­lich weiter vor­ge­lagerten Preisen ein geringe­res Ge­wicht bei als den aktuel­leren?
  • Findet eine Ge­wicht­ung statt hin­sicht­lich des Handels­volumens, welches einem Schluss­kurs voran­ging?


Ein ein­heit­liches, und von der Mehr­heit der Markt­teil­nehmern an­er­kanntes Be­wertungs­model für die Preis­fest­setzung für Kryptowerte existiert der­zeit nicht. Viel­mehr sind Block­trades immer das Er­geb­nis eines in­di­vi­duel­len Ver­handlungs­er­gebnis­ses, wel­ches auch die Preis­fest­setzung bein­hal­tet. Des­halb wird von mir ein für den indi­vi­duel­len Krypto­wert je nach Li­qui­di­täts­situation an­ge­messenes Be­wertungs­ver­fahren an­ge­setzt, welches den Preis als zeit- und volumen­ge­wichteten Durch­schnitt be­rechnet (engl. time and volume weighted adjusted price):

  • Der Markt­gerechte Grund­preis basiert auf einer be­stim­mten An­zahl von Tages­schluss­kursen vom Stich­tag und von den dem Stich­tag vor­aus­gehenden Handels­tagen.
  • Jeder Tages­schluss­kurs wird hin­sicht­lich seiner zeit­lichen Distanz vom Stich­tag ge­wichtet, wobei der aktuelle Tages­schluss­kurs am Be­wertungs­stich­tag das höchste Ge­wicht er­hält, jener vom Vor­tag ein niedrigeres Ge­wicht, usw., bis zum vom Stich­tag am weitesten ent­fernten Tages­schluss­kurs mit einem niedrigsten Gewicht.
  • Jeder Tages­schluss­kurs wird zu­sätz­lich vo­lumen­ge­wichtet.


Bei der Ab­schätzungs des Preis­ab­schlags (bei Ver­kaufs­trans­aktionen) kommen bei mir eine Reihe von ver­schiedenen Be­wertungs­an­sätzen zur An­wendung, welche an­schliessend ab­ge­wogen und plausi­bi­lisiert werden. Zu diesen ge­hören:

  • Trans­aktions-basierte Analyse
  • Order­buch-basierte Analyse
  • Block­handel-basierte Analyse
  • Beleihungs­grenze-basierte Analyse


Bei der Trans­aktions-basierten Analyse werden in­di­vi­duel­le Trans­aktionen analysiert, mit dem Ziel, deren Preis­aus­wirkung zu messen. Dazu werden Daten von Krypto­börsen ver­wendet, welche oft Ein­blicke in minuten-genaue Trans­aktionen bieten. Oft beobachtet man eine ur­sprüng­liche „Über­reaktion“ schon bei einer relativ geringen Trans­aktions­menge, was auf eine geringe Li­qui­di­tät im Markt hin­deutet. Die „Über­reaktion“ ist eine Reflexion der Be­fürchtung der Markt­teil­nehmer, dass eine Verkaufs­order noch weitere Verkaufs­order folgen könnten. Erst nach­dem der Markt beobachten kann, dass dies nicht der Fall ist, wird diese im Preis re­flektier­te Be­fürchtung wieder heraus-gepreist. Die An­nahme dass der Markt sich nach jedem einzelnen Ver­kaufs­vor­gang er­neut (zu­mindest teil­weise) wieder er­holen würde ist je­doch im Falle von zu be­wertenden Block-Trans­aktionen un­realistisch 17 , denn nach mehreren Teil­verkäufen in Folge wäre der Markt nicht so naiv zu glauben, dass damit das Verkaufs­programm be­endet sei. Viel­mehr würde die ur­sprüng­liche „Über­reaktion“ im Preis ver­bleiben. 


Bei der Orderbuch-basierten Analyse werden im Order­buch alle limi­tierten Orders dem Preis nach sor­tiert. Einige Han­dels­platt­formen er­lauben der Öffent­lich­keit einen Ein­blick in das Order­buch („offenes Order­buch“), welches die besten Kauf- und Verkaufs­limite mit kumu­lier­ten Stück­zahlen an­gibt. Das Order­buch bietet wert­volle In­for­ma­tionen über die zu er­warten­de Preis­ver­änderung, wenn ein Auf­trag ohne Preis­limit (engl. market order) zur so­forti­gen Aus­übung aus­ge­führt wird. Wenn es sich hier­bei um eine Ver­kaufs-Order handelt, werden zu­nächst die li­mi­tiert­en Kauf-Orders mit dem höchsten Preis ge­füllt und (wenn diese gefüllt sind und als limitierte Kauf-Orders nicht mehr verfügbar sind) danach die li­mi­tiert­en Kauf-Orders mit dem zweit­höchst­en Preis, usw. Wie viel man in dem Markt ver­kaufen kann, ohne dass sich der Preis ver­ändert, bzw. wie hoch die Preis­veränderung ist, wenn die Markt-Order ein höheres Volumen hat als die li­mi­tiert­en Kauf-Orders zu dem höchsten Preis, bestimmt die Markt­tiefe (engl. market depth).


Bei der Block­handel-basierten Analyse werden An­fragen an eine Reihe Block­händler ge­stellt und deren Preis­ange­bote berück­sichtigt. Unter Block­handel (auch: Paket­handel, engl. Block­trade) ver­steht man den außer­börs­lichen Handel in einer ein­zi­gen Trans­aktion mit einem hohen Handels­vo­lu­men. Block­handel-Dienst­leistungen werden von auf dieses Ge­schäft speziali­sierte Markt­teil­nehmern an­ge­boten, die z.B. einen „Block“ von Wert­pa­pieren zu einem Fix­preis auf­kaufen, und diese dann im Zeit­ab­lauf über eine Viel­zahl kleinerer Trans­aktionen im Markt weiter­zu­verkaufen. Ziel ist es dabei, den Preis­verfall bei den suk­zessiven Ver­käufen zu mi­ni­mieren. Das generelle Markt­preis­risiko kann dabei z.T. durch ge­eigne­te Ab­sicherungs­geschäfte (engl. hedging) mi­ni­miert werden; 18 nicht je­doch ohne weiteres ab­ge­sichert werden können drei andere Ri­si­ken: Ersten das titel­spe­zi­fische Risiko. Zweitens der durch den suk­zessiven Ver­kauf er­zeugte Preis­verfall (Li­qui­di­tät­srisi­ko). Und drittens das Vo­la­ti­litäts­risiko. 19 Um sich gegen diese Risiken ab­zu­sichern, nehmen Block­händ­ler beim An­kauf eines Blocks einen ge­eigneten Preis­ab­schlag (gegen­über dem vor­herr­schenden Preis­niveau) vor.


Bei der Beleihungs­grenze-basierten Analyse wird der Ab­schlag durch den im Be­leihungs­ge­schäft zu be­obachtenden Sicherheits­ab­schlag approxi­miert. Krypto­werte können oft auf speziellen Platt­formen ver­liehen werden. Bei einem sog. Krypto­kredit er­hält der Kredit­geber als Gegen­leistung für das Dar­lehen Zinsen vom Kredit­nehmer. Der Kredit­nehmer hinter­legt Krypto­vermögens­werte als Sicher­heit, um die In­vesti­tion des Kredit­gebers ab­zu­sichern. Dabei unter­liegt der als Sicher­heit hinter­legte Krypto­vermögens­wert einem Be­leihungs­wert (auch: einer Be­leihungs­grenze). Der Be­leihungs­wert be­zeichnet den Be­trag, den der Kredit­geber im Falle einer Ver­steigerung oder eines Verkaufs der Sicher­heit mit ziem­licher Sicher­heit er­zielen kann. Der Be­leihungs­wert ent­spricht dabei nicht dem aktuellen Markt­preis. Vom aktuellen Preis wird ein Sicher­heits­ab­schlag ab­ge­zogen. Daher ist der Be­leihungs­wert grund­sätz­lich niedriger als der Markt­preis. Der Ab­schlag dient der Ri­si­ko­mini­mierung. Er soll die Ge­fahren der Wert­minderung durch Markt- und andere ex­terne Fak­toren deckeln. Für jede Sicher­heit ist der Ab­schlag unter­schied­lich. Sicher­heits­abschläge werden im Kredit­geschäft regel­mäßig durch die Loan-to-Value (LTV)-Ratio ge­messen. Diese Kenn­ziffer gibt an, welcher Prozent­satz des Markt­wertes der hinter­legten Sicher­heit be­liehen werden kann. Wenn die LTV im Markt zu be­obachten ist, oder von im Ver­leih­ge­schäft aktiven Markt­teil­nehmern er­fragt werden kann, ist es mög­lich den im­pli­ziten Sicher­heits­ab­schlag zu be­rechnen: Pro­zentu­aler Sicher­heits­ab­schlag = 100% - LTV. LTVs hängen von der Quali­tät der Sicher­heit ab. Wenn im Markt keine notierten LTVs für einen spe­ziel­len Krypto­wert ge­funden werden, könnte man die markt­üblichen LTVs für jene Token an­wenden, die weniger liquide sind als z.B. Bitcoin und Ethereum, jedoch liquider als NFTs. Der im LTV re­flek­tierte Ab­schlag spiegelt jedoch nicht nur die Ge­fahren der Wert­minderung in einem Not­verkauf (engl. fire sale) wider, sondern be­in­hal­tet auch eine Risiko­prämie für generelle Wert­schwankungen und sonstige Ri­si­ken. In­so­fern wäre der LTV-impliziter Ab­schlag noch nach unten zu korri­gieren.


Fuss­noten

1 An der Börse ge­handel­te Preise sind – je nach Börsen­design – i.d.R. „Gleich­ge­wichts­preise“, die vom Preis­setzungs­me­cha­nis­mus der Börse so ge­setzt werden, dass sich eine gleich große An­zahl von Käufern und Ver­käufer gegen­über­stehen, so dass kein Käufer oder Ver­käufer, der diesen Preis auch ak­zep­tiert hätte, leer aus­gehen würde.

2 Der Initia­tor einer Trans­aktion wird auch als „Aggressor“ be­zeichnet.

3 Eine Aus­nahme ist, wenn im Markt Infor­ma­tionen ver­füg­bar wer­den, die auf eine Ver­änderung des (in­trin­si­schen) Wer­tes des Handels­ob­jektes hin­deuten, und sich Käufer und Ver­käufer (oft ohne sig­ni­fi­kan­ten Handel) auf eine Neu­be­wertung einigen.

4 Siehe z.B. Hal R. Varian (2009): Grund­züge der Mikro­öko­no­mik, 8. Auf­lage, Olden­bourg Ver­lag, München, S. 306.

5 Ebenda, S. 334.

6 Der Li­qui­di­tät wer­den typischer­weise vier Di­mensionen zu­ge­schrieben: Markt­tiefe, Markt­breite, Er­holungs­fähig­keit und Sofortig­keit. Die Markt­tiefe be­zeichnet die Möglich­keit, Trans­aktionen un­weit der aktuel­len Markt­preise durch­zu­führen (oft ge­messen an der An­zahl li­mi­tierter Orders im Order­buch). Die Markt­breite re­flektiert vo­lumen­mäßig hohe Trans­aktions­mög­lich­keiten nahe den aktuel­len Markt­preisen. Die Er­holungs­fähig­keit be­zeichnet die Fähig­keit eines Marktes, nach temporären, nicht in­for­ma­tions­be­dingten Preis­veränderungen ein neues Markt­gleich­ge­wicht mit aus­reichender Markt­tiefe und -breite her­zu­stellen. Die Sofortig­keit be­zeichnet die Ge­schwindig­keit, mit der eine Order aus­ge­führt werden kann. Siehe auch: Börse Frank­furt Börsen­lexikon.

7 Als Beispiel für einen hoch­liquiden Markt wird oft der Devisen­markt, und hier Währungs­paare wie Dollar-Euro, auf­ge­führt. Wer in diesem Markt z.B. 100 Million Dollar gegen Euro tauschen will, kann dies regel­mäßig sofort vor­nehmen, ohne dabei eine spür­bare Aus­wirkung auf den Wechsel­kurs zu haben: Hohes Volumen, so­fortige Aus­führung, mini­maler Preis-Impact.

8 An dieser Stelle sei aus Ver­einfachungs­gründen zu­nächst von der Unter­scheidung zwischen Market-Makern (die gegen­über einem Handels­platz­be­treiber in einem be­stim­mten Um­fang zur Quotierung ver­pflichtet sind) und sonstigen Li­qui­di­täts­geber (die auf frei­williger Basis und oft nur punktuelle im Rahmen eines Order­buch­systems einen passiven Auf­trag in das Order­buch ein­stellen und somit anderen Markt­teil­nehmern Trans­aktions­mög­lich­keiten schaf­fen) ab­ge­sehen.

9 Es ist theo­re­tisch mög­lich, dass selbst nach einer Trans­aktion i.H.v. dem Limit des Li­qui­di­täts­anbieters die An­kaufs- und Ver­kaufs­preise im Markt un­verändert bleiben (ent­weder weil andere Li­qui­di­täts­an­bieter gleich­artige Preise stellen, oder weil der Li­qui­di­täts­an­bieter sich ent­scheidet, zu den ge­ge­benen Preisen noch höhere Volumina handeln zu wollen), jedoch ist es in der Praxis eher so, dass nach einem Verkauf an einen Li­qui­di­täts­an­bieter (engl. „hitting the bid“) der nächst­beste Li­qui­di­täts­an­bieter nur zu einem re­du­zierten Preis kauft, bzw. nach einem Kauf (engl. „lifting the offer“) das nächst­beste Ver­kaufs­an­gebot nur zu einem höheren Preis ab­ge­geben wird. Somit ist dann der durch­schnitt­liche Kauf­preis (Ver­kaufs­preis) einer seriel­len Aus­führung von Trans­aktionen i.d.R. höher (niedriger) als der im Markt zu be­obach­tender Preis vor Initi­ierung des Programms.

10 Für eine populär­wissenschaft­liche Dar­stellung dieses Phäno­mens im sog. High-Frequency Trading siehe z.B. Michael Lewis (2015): Flash Boys, Penguin Verlag.

11 Siehe auch: Scholes, M. S. (1972): The Market for Securities: Sub­sti­tu­tion Ver­sus Price Pres­sure and the Effects of In­for­ma­tion on Share Prices, Journal of Business 45(2), S. 179-211; Mikkelson, W. und M. Partch (1985): Stock price effects and costs of secondary dis­tri­bu­tions, Journal of Financial Economics 14, S. 165-194; Chan, L., und J. Lakonishok (1993): In­sti­tu­tional trades and intra­day stock price behavior, Journal of Financial Economics 33, S. 173–199; Chan, L., und J. Lakonishok (1995): The behavior of stock prices around in­sti­tu­tional trades, Journal of Finance 50, S. 1147–1174.

12 Siehe z.B. Holthausen, R., R. Leftwich, und D. Mayers (1987): The effect of large block trans­actions on security prices: A cross-sectional analysis. Journal of Financial Economics 19, S. 237–268.

13 Siehe z.B. Shleifer, A. (1986): Do demand curves for stocks slope down?, Journal of Finance 36, S. 579-590.

14 Einige Markt­teilnehmer stehen Krypto­währungen des­halb sehr kritisch gegen­über Beispiel­haft sei hier Nassim Nicholas Taleb auf­ge­führt, der in einem Tweet vom 4.12.2021 über die Krypto­währung Bitcoin schreibt: „(...) Bitcoin is nothing“, oder JPMorgan CEO Jamie Dimon, der noch 2023 sagte „he would shut down crypto if he had [a] government role“; Quelle: Bloomberg, reported by Katherine Doherty, 6.12.2023.

15 Viele sehen in Krypto­währungen eine ge­wisse Un­seriosi­tät, wie sie auch Schnee­ball­systemen und Ponzi-Schemes zu eigen ist, und ver­weisen auf die sog. Greater-Fool-Theory (welche besagt, dass der Preis eines Produktes ohne in­trin­sischen Wert allein da­durch be­stimmt wird, ob es zu einem späteren Zeit­punkt zu einem noch höheren Preis ver­kaufen werden kann, wobei die Person, die den höheren Preis zahlt, der „größere Trottel“ ist). Diesem Argu­ment halten Ver­teidiger von Krypto­währungen ent­gegen, dass staat­liches Geld (FIAT-Währung) ebenso wenig durch z.B. Gold gedeckt ist und somit nicht besser sei.

16 An dieser Stelle wird aus Ver­einfachungs­gründen ignoriert, das Krypto­währungen neben dem Ertrag aus einem zu­künftigen Ver­kauf auch poten­zielle Ein­künfte aus Mining, Staking und Ver­leihung haben können. Diese Neben­einkünfte können je Situation auch be­wertungs­relevant sein.

17 Einige akademische Studien gehen davon aus, dass sich der Preis­effekt kumulativ über mehrere Teil-Abwick­lungen steigert; siehe Harvey, C. R., A. Ledford, E. Sciulli, P. Ustinovund und S. Zohren (2021): Quantifying Long-Term Market Impact, SSRN, S. 6.

18 Z.B. durch ein Leer­ge­schäft oder den Ver­kauf von Futures auf den Markt, wobei diese Ab­sicherung dann über die Zeit bei der suk­zessiven Li­qui­dierung des Block­trades wieder um­ge­kehrt werden müssen.

19 Vo­la­ti­lität wird von ri­si­ko­ab­ge­neig­ten Markt­teil­nehmern grund­sätz­lich negativ be­wertet, selbst wenn der Er­wartungs­wert positiv ist. Daher wird im Markt für Un­sicher­heit und Vo­la­ti­li­tät eine ge­sonderte Risiko­prämie er­hoben.


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